Energiebeschaffung - Ideen für die Zukunft

Schweizer Haushalte verbrauchen pro Jahr rund 70 Terrawattstunden an Energie. Das entspricht dem energetischen Jahresverbrauch von 1.4 Milliarden Laptops. Tendenz steigend. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage nach nachhaltigen Strom- und Heizquellen immer stärker auf. Diese müssen aber finanzierbar sein und zugleich dauerhafte Energiesicherheit gewährleisten.

Betrachtet man den Energiebezug der Immobilien, so zeigt sich gewissermassen eine zweigeteilte Welt

Während elektrischer Strom mehrheitlich von den grossen Netzbetreibern stammt, sind die meisten Heizungen einzeln in den Liegenschaften verbaut. Beide Modelle haben ihre Vor- und Nachteile.
Beim Strombezug über das Netz profitieren Immobilien von der integrierten Infrastruktur der Stromanbieter sowie deren grossen Erzeugungszentralen (Wasserkraftwerke, Atomkraftwerke, Solar- und Windanlagen etc.). Der Netztransport über weite Distanzen führt aber zum Verlust von Stromkapazität, was die Effizienz des Modells senkt. Demgegenüber steht das Modell mit der Heizung im eigenen Keller. Die Wege zum Endverbraucher sind kurz und effizient, ebenso profitiert man von einer gewissen Autarkie. Allerdings sind die individuellen Infrastrukturausgaben hoch, da jedes Gebäude mit eigener Heizzentrale und Verteilsystem ausgestattet werden muss. Zusammengefasst lässt sich die Situation auf die Formel bringen, beim Heizen herrscht zu viel Individualismus, beim Strombezug zu wenig.

Langfristig zielt die Energiebeschaffung der Zukunft darauf ab, die Vor- und Nachteile dieser beiden Modelle besser aufeinander abzustimmen. Das heisst unter anderem mehr individuell hergestellter Strom über Photovoltaikanlagen und mehr Heizenergie im Wärmeverbund mit mehreren Liegenschaften oder über ganze Quartiere hinweg. Technologisch sind wir in vielen Bereichen bereits soweit, aber es müssen noch mutige Entscheidungen bei der Erschliessung und den rechtlichen Rahmenbedingungen getroffen werden.

Seen, Flüsse und Erdreich als neue «Energiezentralen»

Die zwei grössten technischen Herausforderungen beim Umstellen auf nachhaltige Heiz- und Stromenergie liegen bei den Kosten pro Energieeinheit und bei der Dunkelflaute. Für die Industrie und die Haushalte ist es wirtschaftlich relevant, wie viel eine bezogene Energieeinheit kostet. Hier sind erneuerbare Energien wie Wind und Solar zwar wesentlich «günstiger» geworden in den letzten Jahren, dennoch kostet eine Energieeinheit aus diesen Quellen im Jahresschnitt noch immer mehr als die Energieeinheit aus einer «klassischen» Quelle.

Hinzu kommen die wohl noch wichtigeren Dunkelflauten. Damit ist die Differenz zwischen der benötigten Energie und der produzierten Energie gemeint. Dort, wo die Nachfrage das Angebot übersteigt, wird von einer Dunkelflaute gesprochen. Gerade bei Solar- und Windanlagen gibt es natürlich starke Schwankungen in der Energieproduktion. Zugleich benötigen aber Industrie und Gesellschaft eine dauerhaft verlässliche Energiequelle, insbesondere auch dann, wenn Bezugsspitzen anstehen – etwa am Mittag oder am Abend.

Beim Heizen gibt es aus unserer Sicht ein grosses Potenzial bei den Seen, von denen die Schweiz bekanntlich viele hat. Für Städte wie Luzern, Zürich, Genf oder Lausanne stellen die jeweiligen Seen den grössten Wärmespeicher überhaupt dar. Bei der Gewinnung von Energie aus dem Seewasser wird in rund 40 Metern Tiefe das ganzjährig rund 4 bis 10 Grad warme Wasser abgepumpt und in eine Heizzentrale gebracht. Dort nimmt ein Kühlmittel die Temperatur des Seewassers auf und das Wasser wird mit einem Kompressor verdichtet, was Wärme erzeugt. Über einen Wärmetauscher wird diese Wärme abgenommen und kann dann zum Endverbraucher transportiert werden – das System ist sehr ähnlich wie die Wärmepumpe.

Nebst der sehr CO₂-armen Energiegewinnung ist das System auch hocheffizient. Mit den heutigen Technologien kann aus 4 m³ Seewasser der energetische Gegenwert von 1 Liter Heizöl erzielt werden. Dieses System lässt sich skalieren, sodass mit einer moderaten Investition in Fernwärmeanschlüsse ganze Quartiere wärmetechnisch erschlossen werden können. Auch Flüsse können, abhängig von Grösse und Wasserstand, ebenfalls für die Wärmegewinnung eingesetzt werden.
Beim Strom ist die Ausgangslage etwas schwieriger, da seine Erzeugung vor allem fliessende Gewässer benötigt. Diese sind in der Schweiz für die Stromproduktion bald ausgeschöpft, respektive die entsprechenden Anlagen weitestgehend gebaut. Hier stimmen aber etwa die neuesten Entwicklungen in der Geothermie (also der in der Erdkruste gespeicherten Erdwärme) zuversichtlich, auch wenn die Technologie noch einen Weg bis zur Marktreife hat. Dennoch ist es beispielsweise Fervo Energy, einem Start-up aus Texas (USA), neuerdings gelungen, geothermische Energie über eine längere Periode zu produzieren und dabei keine seismische Aktivität auszulösen. Gerade Letzteres war in der Vergangenheit eine der grössten Herausforderungen, da geothermische Bohrungen häufig zu Erschütterungen führten. Mit der neuen Technologie kann Wasser über feine Bohrstellen praktisch überall unter die Erde gepumpt werden. Dort heizt es sich auf natürliche Weise auf 200 Grad auf und wird von einem darüberliegenden Ansaugsystem abgegriffen. Oberirdisch wird es dann in Wärme und Strom umgewandelt. Da die unterirdische Wärme überall auf dem Globus praktisch gleich ist, eignet sich diese Form der Energiebeschaffung für alle geographischen Räume.

Liegenschaften vernetzen

Aus energetischer Sicht sollten die Immobilien der Zukunft miteinander verknüpft sein. Das gilt sowohl für das Neubauareal als auch die Fachwerkhäuser im Altstadtquartier. Wenn sich mehrere Liegenschaften die gleiche Infrastruktur teilen, dann senkt das die Kosten massiv und führt zu einem deutlich geringeren Ressourcenverbrauch. Nebst dem Wärmeverbund steht beispielsweise auch der Zusammenschluss zu lokalen Stromnetzwerken im Fokus. Hierbei könnten einige Häuser Strom aus ihren Photovoltaikanlagen den umliegenden Nachbarshäusern zur Verfügung stellen. Damit müssten nicht alle Häuser Einzelinvestitionen in die eigene Stromproduktion tätigen. Wenn die Stromspeisung noch dynamischer geregelt wäre, würde dies die Effizienz noch zusätzlich steigern.

Ein weiterer Faktor könnte die Batteriespeicherung sein. Momentan gehen Kosten und Nutzen der Speichermedien noch nicht auf. Aber die Herstellungskosten dafür sinken vorzu, mitunter auch aufgrund der Fortschritte in der Autobatterietechnologie. Durch die preiswerte Speicherung von Strom könnten Dunkelflauten ausgeglättet werden. Die Energiesicherheit wäre gewahrt und dies zu einem planbaren Preis. Theoretisch denkbar wären auch Elektrofahrzeuge als Batteriespeicher. Wie ihr Vetter mit Verbrennungsmotor stehen auch Elektrofahrzeuge die meiste Zeit herum. Während dieser Zeit könnten sie gespeicherte Fahrzeugenergie auf die Haustechnik übertragen oder über Überschussenergie aus der Photovoltaik anlage dynamisch speichern. Noch ist die Technologie nicht ausgereift, doch es laufen Bestrebungen in diese Richtung.

Expertenmeinung

«Die Zukunft energieeffizienter Immobilien liegt in der Vernetzung von Gebäudeinfrastruktur, bei der Wärme und Strom gemeinsam genutzt und lokal produziert werden, etwa durch Photovoltaikanlagen, Wärmeverbünde und Geothermie; Investitionen in Speichermedien und flexible Energieverteilung könnten Versorgungssicherheit auch während Dunkelflauten gewährleisten.»

Moritz Falck

Group Executive, Inhaber
Die Falck Gruppe AG

In die energetische Zukunft mit intelligenten Immobilien – ein Ausblick

Technologisch können wir im Heizbereich bereits sehr viel umsetzen, um nachhaltig und kosteneffizient Wärme zu erzeugen. Wir benötigen hierzu aber die notwendigen Infrastrukturinvestitionen. Für den Strombereich dürfen wir zuversichtlich auf die Entwicklung von Speichermedien blicken, die die Dunkelflauten bei Wind und Solar ausglätten könnten. Des Weiteren verspricht Geothermie noch ungeahnte Chancen. Damit wir aus diesen Quellen Wärme und Strom ideal nutzen können, müssen unsere Immobilien intelligenter und vernetzter werden. So wird es uns gelingen, Immobilien energetisch in die Zukunft zu führen.

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